Fußfehlstellungen

Fußfehlstellungen sind lange kein Einzelphänomen mehr. Mehr als  die Hälfte der Menschen aus westlichen Industrieländern sind davon betroffen. Fußfehlstellungen können angeboren sein oder erworben – häufig durch (falsches) Schuhwerk und Übergewicht. Am meisten verbreitet sind die Fehlstellungen Senk- und Plattfuß, Spreizfuß und Knickfuß.

Fußformen

Die Entwicklung der Menschheit unterscheidet sich unter anderem in Abhängigkeit der jeweils geografischen Gegebenheiten und der kulturellen Entwicklung. So hat die Evolution den Homo Sapiens in Afrika vor andere Herausforderungen gestellt als beispielweise die Ureinwohner Südamerikas. Gleichauf war der Gebrauch der Füße auch anders. Man vergleiche Ureinwohner, die zur Essensbeschaffung verstärkt auf Bäume geklettert sind und sesshafte Bauern (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fuß). Auch heute noch lassen sich an den Menschen bestimmter Regionen und Länder mitunter typische Fußformen erkennen. Man unterscheidet, abhängig vom Längenverhältnis zwischen dem großen und dem benachbarten zweiten Zeh, drei verschiedene Fußformen:

  • Römische Fußform (auch Quadratfuß genannt): Der zweite Zeh und der Großzeh sind gleich lang
  • Griechische Fußform: Der zweite Zeh ist länger als der Großzeh
  • Ägyptische Fußform: Der zweite Zeh ist kürzer als der Großzeh

Fußgewölbe

Die Magie des Gehens und Laufens passiert in den – oder besser gesagt durch die – Fußgewölbe. Hätten wir kein Längs- und kein Quergewölbe an unseren Füßen, die von einem Geflecht von Sehnen und Muskeln aufrecht und unter Spannung gehalten werden, würden unsere Füße einknicken. Die Gewölbe sind es, die unser Gewicht beim Auftreten abfedern und verteilen. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass bei einem Schritt das bis zu 5-fache unseres Gewichts als Krafteinwirkung auf den Hinterfuß aufkommt. Beim Joggen kann es sogar das 9-fache betragen. Das Längsgewölbe (rote gestrichelte Linie in der Abbildung unten) ist besser von außen medial/ an der Fußinnenseite erkennbar. Hierbei handelt es sich um den Bogen der sich von dem Hinterfuß bis zum Großzehengrundgelenk erstreckt. Das Quergewölbe (blaue Linie) erstreckt sich von den Metatarsalköpfchen über den gesamten Mittelfuß.

Fussgewoelbe
Quergewoelbe_Mittelfußknochen

Neue Studien von Madhusudhan Venkadesan von der Yale University in New Haven belegen, dass, anders als bisher vermutet, das Quergewölbe wichtiger für die Stabilität des Fußes ist als das Längsgewölbe. So trägt das Quergewölbe mehr als 40 Prozent zur Fußsteifigkeit bei, das Längsgewölbe nur 23 Prozent. Die Wissenschaftler vergleichen die Fußstabilität mit dem Wölben eines Geldscheines oder Pizzastücks. Wölbt man die Seiten nach oben, hängt das Ende nicht herunter.

fussgewoelbe_experiment

Bahnbrechend ist diese Erkenntnis, weil Sie die Frage aufwirft, ob sich unsere Vorfahren nicht schon viel früher vom Menschenaffen unterschieden haben als vermutet. Während die flachen Füße der Menschenaffen bei jedem Schritt einknicken, versteifen Gewölbe den Fuß und sorgen für einen aufrechten Gang. Bisher ging man davon aus, dass das Längsgewölbe ausschlaggebend für die Fußsteifigkeit sei. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass sich ein menschenähnliches Quergewölbe bereits vor 2,5 Mio. Jahren entwickelt haben könnte. Das Längsgewölbe entwickelte sich erst später.   

Quelle: Madhusudhan Venkadesan, Yale University

https://www.nature.com/articles/s41586-020-2053-y

Das Abrollen

Wenn wir Auftreten beginnt der Abrollprozess am Hinterfuß und die Kraft wird über die knöcherne Struktur des Längsgewölbes nach vorne verteilt zum Kleinzehengrundgelenk. Ab hier übernimmt das Quergewölbe, welches die Kraft vom Kleinzehenballen zum Großzehengrundgelenk (Großzehenballen) leitet. Diese drei Punkte tragen hauptsächlich (ca. 75 % der Kraftwirkung) das Körpergewicht.

Soweit zum Aufbau des Fußes und den mechanischen Vorgängen unter gesunden Voraussetzungen.

Der Senkfuß (Insufficientia pedes)

Was ist ein Senkfuß und wie erkennt man ihn?

Der Senkfuß ist die Vorstufe des sogenannten Plattfußes. Sinken die Keilbeine 1-3 ab, senkt sich auch das Längsgewölbe bis hin zum kompletten Einbruch. Dementsprechend kommt es zu einer Überdehnung der Bänder und Sehnen, die durchaus schmerzhaft sein kann. Mit zunehmender Ausprägung kann es zu Funktionsbehinderungen kommen. Die Fußfehlstellung Senkfuß tritt in flexibler und kontrakter Form auf und kommt häufig in Kombination mit einem Knickfuß vor. Ein Abrollen wie oben beschrieben ist nur noch eingeschränkt möglich. Auch am Fußabdruck, bspw. im Sand, kann man, wie im Bild skizziert, einen Senk- und Plattfuß an immer prominenteren Mittelfußbereich erkennen.

laengsgewoelbe_keilbein
Senkfuß: Die Keilbeine 1 -3 senken sich ab

Was sind die Ursachen für einen Senkfuß?

Ein Senkfuß kann aufgrund einer angeborenen Bindegewebsschwäche oder angeborenen Fehlbildungen der Fibula (Wadenbein).

Anders ist es bei Ursachen, die wir im Leben erwerben. Wie oben beschrieben, werden die Gewölbe von Sehnen aufrecht und von Muskeln unter Spannung gehalten. Kommt es zu einer Schwächung und Atrophie der Unterschenkelmuskel, die für die Spannung der Ansatzsehnen des jeweiligen Gewölbes verantwortlich sind, lässt die Spannung nach. Bildhaft kann man hier vielleicht ein Campingzelt zu Hilfe nehmen: Spannt man die Haken nicht stramm genug, steht das Zelt auch nicht aufrecht. Die Muskeln Musculus fibularis longus und Musculus tibialis posterior sind ebendiese, die für die Spannung des Längsgewölbes zuständig sind. Sind diese geschwächt, lässt die Spannung nach und das Längsgewölbe beginnt zu sinken. Aber auch die Fußsohlenmuskulatur stützt die Gewölbe. Übergewicht ist zudem ein begünstigender Faktor.

Wie bei fast allen erworbenen Fußfehlstellungen ist falsches Schuhwerk immer eine potenzielle Gefahrenquelle, die es zu überprüfen gilt.

Der Plattfuß (Pes planus)

Was ist ein Plattfuß und wie erkennt man ihn?

Bei dem Plattfuß fehlt das natürliche Längsgewölbe. Im Stehen hat nun die gesamte Fußsohle Kontakt zum Boden, liegt plan auf. Der Fußabdruck ist nun sehr prominent im Mittelfußbereich und gleicht einem Rechteck (s. Bild oben). Es kommt zu einer Versteifung der Gelenke, das untere Sprunggelenk ist funktional eingeschränkt und das Abrollen des Fußes nicht mehr möglich. Es ist ein verändertes Gangbild erkennbar. Die permanenten Fehlbelastungen haben Auswirkungen auf Hüfte und Wirbelsäule. An der medialen Fußkante (Fußinnenseite) entstehen drei Vorwölbungen: Innenknöchel, Sprungbein und Kahnbein weichen medial (zum Körpermittelpunkt hin) ab. Dabei schiebt sich der Kopf des Sprungbeins zwischen Fersenbein und Kahnbein.

Plattfuss
© Henrie – stock.adobe.com

Was sind die Ursachen für einen Plattfuß?

Wie beim Senkfuß können die Ursachen angeboren und erworben sein. Ist die Fehlstellung erworben, ist dies meist auf Überlastungsschäden, bspw. durch Stehen auf hartem Boden, zurückzuführen. Der Plattfuß kann jedoch auch eine Folge entzündlicher Gelenk- und stoffwechselbedingter Erkrankungen sein. Frakturen und Verletzungen können ebenfalls eine Ursache sein.

Der Knickfuß (Pes valgus)

Was ist der Knickfuß und wie erkennt man ihn?

Bei dem Knickfuß kommt es zu einer sogenannten Valgusstellung des Fußes. Betrachtet man den Fuß von hinten ist eine über das Normalmaß hinausreichende Neigung der Längsachse (rote vertikale Linie im Bild) nach außen erkennbar, während das Fersenbein nach innen kippt. Der innere Knöchel springt deutlich hervor. Das Sprungbein schiebt sich zwischen Fersenbein und Kahnbein. Die Fußdeformität Knickfuß tritt häufig in Kombination mit dem Senk- und Plattfuß auf und kann zu Schmerzen in der Fußwurzel führen.  Der Fußabdruck zeigt eine deutliche S-Kurve.

Knickfuss
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Was sind die Ursachen für einen Knickfuß?

Die Ursachen für einen Knickfuß sind – global – dieselben wie bei dem Senk- und Plattfuß (s.o.).

Der Spreizfuß (Pes transversus/ Pes transversoplanus)

Was ist der Spreizfuß und wie erkennt man ihn?

Bei dem Spreizfuß sinkt das vordere Quergewölbe ein, die Mittelfußknochen weichen fächerartig auseinander. Der Vorderfuß ist herabgesenkt/ durchgetreten. Distal (weg von der Körpermitte) an den Köpfchen der Mittelfußknochen  II, III und IV (blauer Kreis in der Abbildung) erkennt man der Fußsohle, je nach Ausprägung, entsprechend starke Druckstellen/ Hornhautbildung, da es hier durch die Bodenkräfte zu besonders starkem Gegendruck kommt. Plantar (Fußsohle) und dorsal (Fußrücken) kommt es  zu einem muskulären Ungleichgewicht. Folgen eines Spreizfußes sind Fehlstellungen der Zehen, vor allem der Hallux valgus (Achsenabweichung des Großzehs), Hammer- und Krallenzehen, Reiterzehen und der Digitus quintus varus (Achsenabweichung des Kleinzehs). Vor- und Mittelfußschmerzen (Metatarsalgie) können belastungsabhängig aufkommen.  Bei dem Fußabdruck ist ein prominent breiter Vorderfußballen erkennbar.

Spreizfuss
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Was sind die Ursachen für einen Spreizfuß?

Wie bei den vorher beschriebenen Fußdeformitäten kann eine angeborene Bindegewebsschwäche eine Ursache sein. Anders als bei den Fehlstellungen, die das Längsgewölbe betreffen, sind bei den Ursachen, die einen Spreizfuß zur Folge haben, übermäßige Belastungen des Vorfußes Grund für eine Absenkung des Quergewölbes. Hohe Absätze und Übergewicht begünstigen die Überbelastung. Stehende berufliche Tätigkeiten und eine Schwangerschaft können diese Fehlstellung hervorrufen.

Wie oben beschrieben, werden die Gewölbe von Sehnen aufrecht und von Muskeln unter Spannung gehalten. Kommt es zu einer Schwächung der dafür zuständigen Muskeln, lässt die Spannung nach. Der für die Spannung des Quergewölbe hauptsächlich zuständige Muskel heißt Musculus adductor hallucis (Großzehenanspreizer), welcher das Quergewölbe ‚verklammert‘.

Therapiemaßnahmen bei Fußfehlstellungen

Zuhause, auf der Arbeit, beim Sport…nichts macht der Mensch mehr ohne dabei Schuhe zu tragen. Ungeachtet der Qualität des Schuhwerks und des Fußbettes, stellt dieser Umstand einen krassen Kontrast zu unseren Vorfahren dar. Mittlerweile kritisieren viele Experten recht umgangssprachlich, dass die Fußmuskulatur, durch das permanente Tragen von Schuhen, immer fauler wird. Hinzukommt, dass wir fast nur noch auf ebenen, betonierten Straßen gehen. Dabei ist das Barfußlaufen auf unebenem Gelände so wichtig für die Aufrechterhaltung unserer Fußmuskulatur. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass eine regelrechte kultartige Bewegung und sogar ein wirtschaftlicher Zweig rund um´s Barfußlaufen entstanden ist. Neben Herstellern von sogenannten Barfußschuhen und Planern von Barfuß-Parks sind auch Barfuß-Akademien entstanden, die Kurse für Endverbraucher, eine Trainer-Ausbildung und Equipment anbieten.

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass bei Fußdeformitäten, insofern sie nicht operativ behandelt werden müssen, Barfußlaufen auf unebenem Gelände (Sandstrand, Wiese, etc.) die beste Präventions- und Therapiemaßnahme ist.

Was tun bei einem Senkfuß?

  • Barfußlaufen auf unebenem Gelände
  • Fußgymnastik zur Stärkung der für das Längsgewölbe zuständigen Muskulatur (bspw. Musculus fibularis longus und Musculus tibialis posterior)
  • orthopädische (maßangefertigte) Einlagen
  • gutes Schuhwerk
  • Massagen und Bandagen

Was tun bei einem Plattfuß?

  • Schuhzurichtung
  • orthopädische (maßangefertigte) Einlagen
  • Krankengymnastik
  • regelmäßige Behandlung der Folgen wie Hyperkeratose (Hornhaut) und Clavi (Hühneraugen)

Was tun bei einem Knickfuß?

  • Fußgymnastik
  • gutes (haltgebendes) Schuhwerk
  • orthopädische (maßangefertigte) Einlagen und Schuhversorgung

Was tun bei einem Spreizfuß?

  • Fußgymnastik zur Stärkung der für das Quergewölbe zuständigen Muskulatur -bspw. Musculus adductor hallucis (Großzehenanspreizer)
  • gutes (haltgebendes) Schuhwerk
  • orthopädische (maßangefertigte) Einlagen und Schuhversorgung
  • ggf. Gewichtsreduktion